Achtung, fertig, Serotonin. Von der Suche nach dem Selbst.
Imke Salander ist Fitness-Influencerin. Mit 175.000 Follower*innen auf Instagram. Ihre härteste Übung: nahbar bleiben für die Community. Ein Gastbeitrag.
Wie fängt man einen Text an, der nicht als Instagram Caption gedacht ist? Wo es nicht darum geht, möglichst viele Likes und Shares mit Buzzwords zu generieren? Es ist lange her, dass ich mir diese Frage stellen musste. 2016 habe ich meinen Instagram Account veröffentlicht, heute werde ich als Influencerin oder Content Creator betitelt. Parallel studiere ich Philosophie im Master, aber die letzte freie Arbeit in Form einer Hausarbeit ist dank Corona und Vorlesungsstopp schon eine ganze Weile her.
Auf Insta bin ich es gewohnt, vor dem Verfassen eines Textes zu überlegen, was meine Follower jetzt wohl am liebsten lesen würden. Zum ausgewählten Foto muss die Caption natürlich auch passen.
Also liege ich mit meinem Handy auf dem Rücken und debattiere innerlich, ob die Mehrheit meiner Community gerade einen kecken Motivationsspruch für die Homeoffice-Arbeit gebrauchen könnte. Oder ob alle schon auf dem Sprung zum Training sind und deshalb einen Workout-Inspirationspost lesen wollen. Und dann ertappe ich mich bei der Frage, ob das eigentlich noch unter Authentizität fällt.
Authentiziät. Das, was angeblich bei allen an erster Stelle steht. Mein Influencer-Unwort des Jahres. Denn neben der Selbstdarstellung, die man als Influencer zwangsläufig betreibt, ist auch die authentische Produktplatzierung ein großes Thema. Wie schaffe ich es, ein Supplement für Recovery, eine Tagescreme oder eine Tofuspezialität so in meinem Instragram Feed zu platzieren, dass meine Überzeugung für das Produkt glaubwürdig ist?
Die authentische Antwort hierauf wäre, das Produkt mehrere Wochen zu testen und erst dann darüber zu berichten. Die ehrliche Antwort ist, dass die meisten Influencer den Review Post direkt nach Erhalt des Produktes umsetzen müssen. „Wir haben ja wenig Zeit.“ Und: „Zeit ist Geld.“
Für die benötigten Likes und Kommentare sorgt meistens nicht das platzierte Produkt, sondern die Präsentationspose oder die Freizügigkeit des Influencers. Oder aber die auffordernde Frage in der Caption, die den Mitteilungsbedarf der Community anspricht und zum Kommentieren anheizt.
Es wäre gelogen zu behaupten, ich wäre diese Schiene noch nie gefahren. Möglichst viele Kooperationen zu bekommen bedeutet schließlich auch, eine effektive und zeitsparende Umsetzung anzustreben. Diese Herangehensweise hat sich auf meinem Instagram-Kanal jedoch glücklicherweise nicht durchgesetzt.
Ich habe das Vergnügen, mit zwei Drittel meiner Geschwister in einer WG zu wohnen. Nach jedem künstlich wirkenden Produktreview von mir platzen alle mit Gelächter in mein Zimmer. So eine Bloßstellung ist auch das vierstellige Honorar für Duschcreme nicht wert.
Meine Devise der letzten Jahre lautete also: „Spreche nur Produktempfehlungen aus, die du ausreichend getestet hast, um sie auch deiner Familie zu empfehlen.“ Damit fahre ich bislang sehr gut.
Sehr gut ist aber auch das Gefühl, wenn die Zahl unter deinem Post innerhalb von wenigen Sekunden drei-, vier- oder sogar fünfstellig wird. Dass eine hohe Anzahl von Likes zu einer Ausschüttung von Serotonin führt, ist ja längst bewiesen. Doch keiner spricht über den Prozess, der bei einem Creator losgetreten wird, wenn die erwarteten Likes nicht erreicht werden.
Wenn du einen Business Account auf Instagram hast, erhältst du automatisch Statistiken, welche Art von Fotos auf deinem Social Media Feed am besten performen. Oftmals ist das nicht deckungsgleich mit dem eigenen Empfinden.
Mein Account entstand damals aus der Idee, Trainingsinspiration zu verbreiten. Also habe ich erwartet, dass meine Follower sich gezielt meinen Content zu Workouts und Motivation anschauen.
Laut Statistik handelt es sich bei meinen beliebteste Beiträgen aber nicht um Sport-, sondern um Lifestyle-Content.
Hieraus resultiert einer der größten Probleme mit Instagram. Sicher ist es verführerisch, sich nur noch an den Vorlieben der Community zu orientieren und alle Beiträge danach auszurichten. Das betrifft nicht nur das Veröffentlichen von Fotos, sondern auch politische Äußerungen, das Aussprechen für oder gegen Produkte und generelle, soziale Haltungen.
Doch was entspricht nun wirklich deiner Meinung? Und was postest du für mehr Likes? Wenn du das nicht mehr auseinanderhalten kannst, landest du schnell in der Downward Spiral of Social Media. Denn das Medium zehrt von der Unsicherheit des Individuums.
Instagram hilft dir nicht, dich zu finden. Es kann ein Ort der Inspiration sein. Aber nur, wenn du deine eigenen Werte bereits definiert und verinnerlicht hast. Ansonsten ist es ein Labyrinth von perfekten Kurven, Vegan Burger Patties und Dubai-Foto-Lovestorys. All das verleitet dazu, den Anschluss zur Realität und auch die Akzeptanz des menschlichen Imperfektionismus zu verlieren.